Fall:
Die zum Behandlungszeitpunkt 50-jährige Klägerin warf dem Beklagten, einem Facharzt für diagnostische Radiologie, einen Behandlungsfehler sowie eine unzureichende Aufklärung vor und begehrte auf dieser Grundlage immateriellen und materiellen Schadensersatz.
Aufgrund von Fieberschüben wandte sich die mehrfach vorgeschädigte Klägerin an den Beklagten. Dieser stellte aufgrund einer Computertomographie die Verdachtsdiagnose „Konglomerat: artige Veränderungen im Becken mehr dorsal und links, hier möglicherweise mit Fistelung und abgekapselten Flüssigkeitsarealen“.
Klägerin wurde über Risiken der Applikation des Alkohols nicht aufgeklärt
Der Beklagte nahm sodann bei der Klägerin eine Feinnadelpunktion dieses Flüssigkeitsareals vor. Es ließ sich blutig-seriöse Flüssigkeit mit einzelnen Fragmenten aspirieren. Anschließend erfolgte eine Füllung der Höhle mittels Kontrastmittel. Sodann spülte der Beklagte die Höhle mit 3,95 ml medizinischem Alkohol. Die Klägerin wurde über die Risiken der Applikation des Alkohols nicht aufgeklärt. Unmittelbar nach der Alkoholinstillation kam es zu ausgeprägten Schmerzzuständen im linken Bein der Klägerin mit fast vollständiger linksseitiger Parese des Beines. Daneben kam es zu einer vollständigen Stuhl- und Harninkontinenz. Das linke Bein war paretisch und es lag eine Plegie des linken Fußes vor. Eine Computertomographie des Beckens zeigte eine ödematöse Schwellung mit beginnender Nekrose der Glutealmuskulatur links. Nach der stationären Behandlung traten weitere körperliche Beeinträchtigungen auf.
Das sachverständig beratene Landgericht erkannte der Klägerin einen immateriellen Schadensersatz von 130.000 € zu.
Rechtliche Beurteilung:
Die Berufungen hatten nach Auffassung des OLG – mit einer Ausnahme hinsichtlich der Zinsen – keinen Erfolg:
Die Applikation von Alkohol in eine superinfizierte Flüssigkeitshöhle war grob behandlungsfehlerhaft und hat – neben mehrfachen Krankenhausaufenthalten mit Operationen – schwere gesundheitliche Folgen verursacht: Schädigung des Nervus ischiadikus links und des Nervus femoralis links mit Plegie des linken Fußes und mäßig bis hochgradiger Parese der Oberschenkelmuskulatur sowie Sensibilitätsstörung des gesamten linken Beines; leichtgradige Hüftstreckerschwäche bedingt durch die operative Entfernung des M. glutaeus maximus links infolge der Muskelnekrosen; Gefühlsstörungen im Gesäßbereich aufgrund Narbenbildung; Harninkontinenz mit Restharnbildung; Stuhlinkontinenz mit Ableitung über den Anus praeter.
Das erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeld von 130.000 € erscheint sachgemäß. Es stellt einen angemessenen Ausgleich für die von dem Beklagten zu verantwortenden Beeinträchtigungen der Klägerin dar. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes darf nicht übersehen werden, dass die Klägerin erheblich vorgeschädigt war. Ein gänzlich einschränkungsloses Leben wäre ihr auch ohne den streitgegenständlichen Eingriff nicht möglich gewesen. Sie litt an einer nicht durch den streitgegenständlichen Eingriff verursachten gravierenden arteriellen Verschluss-krankheit. Die Patientin beschreibt in einem Zeitfenster zwischen 2 Wochen bis 3 Monaten Fieberschübe, auf die sie jeweils 3–5 Tage krankgeschrieben wurde. Die Symptomatik weist darüber hinaus auf ein – ursächlich nicht hinreichend geklärtes – massiv beeinträchtigendes Krankheitsbild hin. Ohne diese Beeinträchtigungen würde der Senat ein Schmerzensgeld von allenfalls 150.000 € für angemessen erachten.