
LG Münster, Urteil vom 01. März 2018 – 111 O 25/14, juris
250.000 Euro Schmerzensgeld
Orientierungssatz juris:
1. Erleidet ein (55 Jahre alter) Patient durch eine nicht indizierte Bandscheibenoperation eine einseitige betonte Teilschädigung des Rückenmarks, mit der Folge, dass er auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen ist, eine Blasen- und Mastdarminkontinenz besteht, der Rumpf und das linke Bein taub sind, auf der rechten Körperseite Schmerzen und eine Fußhebeschwäche bestehen, aufgrund von Spastiken im rechten Arm und im rechten Bein vierteljährlich Botox-Spritzen verabreicht werden müssen, die rechte Hand gelähmt und der Patient körperlich schwach und nicht in der Lage ist, selbstständig aus dem Bett zu kommen und sich zu waschen und die Stimme geschädigt ist, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro angemessen.
2. Ein Krankenhausträger haftet aufgrund eines Organisationsverschuldens für die Folgen einer rechtswidrigen Operation eines Belegarztes, wenn er Kenntnis von einer Alkoholerkrankung des Belegarztes hatte und bereits konkrete Auffälligkeiten vorlagen, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die Tätigkeiten des Belegarztes schädigend auf Patienten auswirken könnten.
Fall:
Die zum Behandlungszeitpunkt 55 Jahre alte Klägerin begehrte Schmerzensgeld und die Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht im Zusammenhang mit einer Bandscheibenoperation vom 04.02.2011, die der mittlerweile verstorbene Herr Q als Belegarzt im Hause der Beklagten zu 2) durchgeführt hatte.
Die Klägerin litt seit dem Jahr 2003 an Kopfschmerzen, Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf, sowie an Armschmerzen bis in den Oberarm bzw. in die Schulter hinein (Zerviko-Zephalgien). Zeitweilig bestanden auch Schmerzen im Bereich der Oberarmaußenseite sowie Parästhesien im Bereich der Finger eins und zwei der rechten Hand und im Bereich beider Füße. Sie wurde von ihrem Hausarzt im November 2009 an ein Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie in P überwiesen. Dort wurde nach der Erhebung von MRT-Befunden zur Überprüfung der unklaren Parästhesien zunächst eine elektrophysiologische Abklärung empfohlen.
Da die Beschwerden weiter fortbestanden, stellte sich die Klägerin im Januar 2011 bei Herrn Q vor. Es erfolgte die Anfertigung weiterer MRT-Aufnahmen. Q diagnostizierte einen Bandscheibenvorfall C5/6 und C6/7 mit rechtsbetonten beidseitigen Zerviko-Brachialgien. Er stellte die Indikation für eine Operation der Bandscheibe in den Segmenten C5/6 und C6/7 und befürwortete den Eingriff, wobei streitig war, mit welchem Nachdruck dies geschah. Die stationäre Aufnahme in der Klinik der Beklagten zu 2) fand am 03.02.2011 statt. An diesem Tag unterzeichnete die Klägerin eine „Dokumentation des Aufklärungsgesprächs des Patienten mit dem Arzt“.
Der Eingriff wurde am 04.02.2011 durchgeführt. Unstreitig kam es hierbei zu einer Verletzung des Rückenmarks. Nach Abklingen der Narkose war die Klägerin nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Die Klägerin wurde in der Nacht vom 04. auf den 05.02.2011 in das Universitätsklinikum N1 verlegt, wo anhand einer MRT-Aufnahme eine ödematöse Auftreibung des Rückenmarks in Höhe HWK 6/7 mit begleitender Einblutung als Nachweis einer intraoperativen Rückenmarksverletzung diagnostiziert wurde. Außerdem wurde eine Kehlkopfverletzung festgestellt. Am 06.02.2011 erfolgte eine Rückverlegung in das Haus der Beklagten zu 2).
Alkoholmissbrauch des operierenden Arztes
Unstreitig litt Q an einer Alkoholabhängigkeit, wobei streitig war, ob und in welcher Form diese zum Eingriffszeitpunkt bestanden hat. In dem Zeitraum, in dem ein Belegarztvertrag mit der Beklagten zu 2) bestanden hatte, befand sich Q wegen der Alkoholproblematik zweimal in stationärer Behandlung. Die M-Klinik bescheinigte Q mit einem Schreiben vom 31.07.2009 für die Zeit ab dem 03.08.2009 eine Arbeitsfähigkeit für die Tätigkeit als Neurochirurg. Außerdem wurde in dem genannten Schreiben eine Empfehlung zur Erkennung von Alkoholmissbrauch ausgesprochen und zwar dahingehend, als Marker nicht die Testung von Atemluft und die Überprüfung von Leberwerten heranzuziehen, sondern einmal pro Quartal den CDT-Wert zu bestimmen.
Die Beklagte zu 2) kündigte zum 31.03.2011 ordentlich die mit Q bestehenden belegärztlichen Verträge (Belegarztvertrag, Mietvertrag, Kooperationsvertrag). Grund hierfür waren u.a. im Hause kursierende Gerüchte über den Alkoholkonsum von Q und berichtete Auffälligkeiten. Mit Datum vom 08.02.2011 wurde von der Beklagten zu 2) gegenüber Q dann eine fristlose Kündigung der Vertragsverhältnisse ausgesprochen, nachdem dieser am 07.02.2011 alkoholisiert zur Durchführung einer Therapie im Hause der Beklagten zu 2) erschienen war.
Für Herrn Q wurde beim AG T2 im April 2013 ein Betreuungsverfahren eingeleitet. In diesem Rahmen erfolgte eine psychiatrische Begutachtung von Herrn Q. Danach war diagnostisch von einem langjährigen Alkoholmissbrauch und einem Abhängigkeitssyndrom auszugehen. Die Erkrankung habe ganz offensichtlich in den letzten Jahren bei Herrn Q erhebliche Einbußen seiner beruflichen und sozialen Fertigkeiten bewirkt.
Rechtliche Beurteilung:
Die Klage war nach Auffassung des Landgerichts vollumfänglich begründet:
Die Beklagten zu 1) (Erben des Herrn Q) haften, weil der Eingriff vom 04.02.2011 rechtswidrig war. Die Beklagte zu 2) haftet, weil sie Q die Infrastruktur für neurochirurgische Eingriffe zur Verfügung gestellt hatte, obwohl sie schon weit vor der hier streitgegenständlichen Operation wusste, jedenfalls aber hätte wissen müssen, dass der gesundheitliche Zustand von Herrn Q eine solche Tätigkeit nicht zuließ.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegen die Beklagten zu 1) aus §§ 823, 253 Abs. 2, 1922 BGB. Die von der Klägerin erhobene Aufklärungsrüge führt zum Erfolg. Die Behandlung war rechtswidrig. Die Beklagten zu 1) haben nicht bewiesen, dass die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Die Aufklärung war jedenfalls im Hinblick auf die relative Indikation unzureichend.
Nutzen der Operation fragwürdig
Die von der Klägerin vor dem streitgegenständlichen Eingriff bestehenden Beschwerden, wie Nacken-, Kopf- und Armschmerzen stellten in erster Linie degenerativ bedingte Verschleißveränderungen dar. Es handelte sich um sog. pseudo-radikuläre Beschwerden, also um solche, die nicht durch eine Kompression der Nervenwurzel entstehen. Dafür, dass die Nervenwurzel hier komprimiert war, gibt es keinerlei Hinweise. Dies gilt jedenfalls für die maßgebliche rechte Seite, wo die Klägerin die Beschwerden hatte. Degenerationen, wie sie hier bestanden haben, sind operativ schlecht zu behandeln. Es gibt praktisch keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine solche Operation bei dem vorliegenden Beschwerdebild überhaupt einen Nutzen bringt.
Aber selbst dann, wenn zu Gunsten der Beklagten zu 1) unterstellt wird, dass Brachialgien vorgelegen haben sollten, war der operative Eingriff vom 04.02.2011 nach den ergänzenden mündlichen Ausführungen des Sachverständigen nur relativ indiziert. Das Hauptproblem bestand in den Nacken- und Kopfschmerzen. Eine Abmilderung bzw. Beseitigung dieser die Klägerin in erster Linie belastenden Symptomatik war durch die Operation grundsätzlich nicht zu erwarten. Ausgehend von dem Beschwerdebild der Klägerin hätten ihr bei fachgerechtem Vorgehen primär eine fortgesetzte konservative Behandlung und eine Schmerztherapie empfohlen werden müssen.
Fehlerhafte Aufklärung der Patientin
Die Beklagten zu 1) sind dafür beweisfällig geblieben, dass Q die Klägerin dementsprechend ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Die Dokumentation der Aufklärung begründet kein Indiz für eine vollständige Aufklärung. Zwar kann dem Aufklärungsdokument entnommen werden, dass Herr Q handschriftlich als alternative Behandlungsmöglichkeit „kons. Therapie“ eingetragen hat. Dass ihr eine solche als ernsthafte Möglichkeit in einem mündlichen Gespräch von Herrn Q tatsächlich aufgezeigt worden ist, steht allerdings nicht fest. Die persönliche Anhörung der Klägerin, die überzeugend geschildert hat, ihr sei die Operation als dringlich und alternativlos beschrieben worden, spricht jedenfalls gegen eine entsprechende Information.
Im Übrigen sagt der genannte Zusatz nichts darüber aus, ob Herr Q der Klägerin eine operative Versorgung zutreffend als nicht dringlich und als nur bedingt erfolgversprechend beschrieben hat. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil: In dem Aufklärungsbogen ist weiter maschinenschriftlich vermerkt: „Wenn mit der Operation zu lange gewartet werden sollte, muss mit folgenden Folgen gerechnet werden: Lähmungen, Gefühlsstörungen, Blasen-Mastdarm-Störungen, Schmerzen, Querschnittsyndroms“. Dieser Hinweis ist eindeutig fehlerhaft. Die genannten Folgen drohten für den Fall, dass die Operation nicht durchgeführt worden wäre, nach den überzeugenden mündlichen Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht. Sie sind nun nicht deshalb eingetreten, weil die Klägerin den Eingriff unterlassen, sondern weil sie ihn hat durchführen lassen.
Der von den Beklagten zu 1) erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung greift nicht durch. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer mündlichen Verhandlung plausibel dargetan, dass sie sich in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, wenn sie über die mangelnde Dringlichkeit und fraglichen Erfolgschancen des Eingriffs zutreffend informiert worden wäre. Die Kammer hat dabei nicht vernachlässigt, dass die Antwort von Patienten auf die Frage nach dem hypothetischen Vorgehen für den Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht selten von einer ex-post-Betrachtung getragen wird, die von den eingetretenen Folgen gekennzeichnet ist.
Hier ist es trotz des mehrjährigen Leidensdrucks der Klägerin vor der Behandlung und auch unter gedanklicher Ausklammerung des anschließenden Verlaufs aber ohne Weiteres nachvollziehbar, dass sie sich bei der äußert schwachen Indikation – wie von ihr geschildert – eine zweite Meinung eingeholt oder auch zunächst den Versuch einer weiteren konservativen Therapie unternommen hätte, bevor sie sich einer Wirbelsäulenoperation mit unklaren Erfolgsaussichten unterzieht, die schon aus Laiensicht mit nicht unerheblichen Risiken verbunden ist.
Folgen der Operation
Durch die Operation ist eine einseitige betonte Teilschädigung des Rückenmarks eingetreten. Seit dem Eingriff ist die Klägerin weitestgehend auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Es besteht eine Blasen- und Mastdarminkontinenz. Der Rumpf ist taub, ebenso das linke Bein, auf der rechten Körperseite bestehen Schmerzen. Rechts besteht eine Fußheberschwäche. Aufgrund von Spastiken im rechten Arm und im rechten Bein erhält die Kläger seit Jahren vierteljährlich Botox-Spritzen. Die rechte Hand ist gelähmt.
Die Klägerin ist körperlich schwach und nicht in der Lage, selbständig aus dem Bett zu kommen und sich zu waschen. Sie unterliegt der Pflegestufe II. Ihre Stimme ist geschädigt. Es besteht die Notwendigkeit regelmäßiger Ergotherapie. Schließlich ist die Kammer auch aufgrund des Eindrucks, den sie von der Klägerin in den beiden mündlichen Verhandlungen gewonnen hat, davon überzeugt, dass sich die vorgenannten Beeinträchtigungen auf das psychische Befinden der Klägerin negativ ausgewirkt haben. Dabei ist nicht verkannt worden, dass schon vor der hier streitgegenständlichen Behandlung durchaus erhebliche psychische Probleme bestanden haben.
Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sämtlicher weiterer bemessungsrelevanter Kriterien hält die Kammer gemäß § 253 Abs. 2 BGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 € für ausreichend, aber auch für angemessen. Dabei ist in die Bewertung eingeflossen, dass die Klägerin schon vor der streitgegenständlichen Behandlung nicht unerhebliche Beschwerden wegen des Grundleidens hatte. Die eingetretenen Folgen gehen aber weit über das vorbestehende Maß hinaus. Die Klägerin ist nunmehr zu einer selbständigen Lebensführung praktisch nicht mehr in der Lage. In ihrer Mobilität ist sie weitestgehend eingeschränkt und reduziert auf den Einsatz des Rollstuhls. Hinzu kommen Schmerzen und die mit der umfassenden Inkontinenz verbundenen Schwierigkeiten. Eine Besserung des Zustands ist nicht zu erwarten. Die Klägerin wird den Rest ihres Lebens an den vorgenannten Folgen leiden.
Verantwortlichkeit der Krankenhausleitung
Auch die Beklagte zu 2) hat für diese gravierenden Folgen einzustehen und zwar aus §§ 611, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 823, 31 analog BGB. Dies gilt selbst dann, wenn vor dem Hintergrund der belegärztlichen Tätigkeit von Herrn Q ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag mit der Klägerin geschlossen worden sein sollte.
Da Herr Q im Hause der Beklagten zu 2) unstreitig als Belegarzt tätig war, würde diese grundsätzlich nicht unmittelbar selbst für diesem vorwerfbare Aufklärungsversäumnisse oder Behandlungsfehler haften, wenn Herr Q bezüglich der von ihm erbrachten Leistungen einen eigenständigen Vertrag mit der Klägerin vereinbart hätte. Die Verantwortungsbereiche bei einem solchen gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag sind getrennt: Der Belegarzt ist allein zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Fachgebiet verpflichtet und haftet hierfür alleinverantwortlich.
Das Belegkrankenhaus schuldet grundsätzlich nur die nicht ärztlichen bzw. ergänzenden ärztlichen Versorgungsleistungen (Anästhesie) und pflegerischen Dienste. Aus dieser Trennung der vertraglichen Leistungs- und Verantwortungsbereiche zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus folgt, dass es grundsätzlich keine „Gemeinschaft“ und keine gesellschaftsrechtlichen Vertragsverhältnisse (§§ 705 ff. BGB) mit entsprechender gemeinschaftlicher Haftung zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus gibt (Prinzip der Haftungstrennung). Deshalb könnte der Beklagten zu 2) selbst ein eindeutiges Fehlverhalten des Herrn Q als Belegarzt hier nicht gemäß § 278 BGB zugerechnet werden.
Ob eine solche Vertragskonstruktion hier überhaupt vorliegt oder aber Vertragspartner der Klägerin allein die Beklagte zu 2) war und Herr Q dieser gegenüber liquidiert hat, kann indes dahingestellt bleiben. Auch im Fall eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags stünden der Klägerin ein direkter vertraglicher und deliktischer Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus den oben genannten Vorschriften wegen eigenen (Organisations-)Verschuldens der Beklagten zu 2) zu.
Sowohl niedergelassene Ärzte als auch Krankenhausträger sind zu einer sachgerechten Organisation, Koordination und Überwachung der Behandlungsabläufe verpflichtet. Wird durch einen Verstoß gegen diese weit ausgelegte Pflicht bei einem Patienten ein Schaden verursacht, kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in Betracht.
Organisationsverschulden des Krankenhauses
Demgemäß durfte die Beklagte zu 2) grundsätzlich keine belegärztliche Tätigkeit in ihrem Hause ermöglichen, von der sie aufgrund eigener Erkenntnisse annehmen musste, dass sich diese schädigend für Patienten auswirken könnte.
Hieran gemessen hat die Beklagte zu 2) ihre der Klägerin gegenüber bestehenden Schutzpflichten (grob) fahrlässig verletzt. Ihr ist ein eklatantes Organisationsverschulden anzulasten. Hiervon ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO).
Zweifel, ob Herr Q die für einen praktisch tätigen Neurochirurgen erforderliche Eignung noch besitzt, hätte die Beklagte zu 2) schon im Jahr 2008, jedenfalls aber im Jahr 2009 haben müssen. Allerspätestens hätte die Beklagte zu 2) die Zusammenarbeit mit Herrn Q im Dezember 2010 mit sofortiger Wirkung zum Wohle der bei ihr aufgenommenen Patienten beenden müssen. In diesem zeitlichen Verlauf steigerte sich das Maß des Verschuldens von einer fahrlässigen bis hin zu einer mindestens grob fahrlässigen Pflichtverletzung.
Nach den Angaben des Zeugen H, der während des hier maßgeblichen Zeitraums als Geschäftsführer für die Beklagte zu 2) tätig war, habe es bezüglich der in Rede stehenden Alkoholproblematik von Herrn Q nicht nur Gerüchte, sondern auch konkrete Auffälligkeiten gegeben. Sowohl Betriebsleitungsmitglieder als auch Operateure hätten deckungsgleich von einem schwankenden Gang, von Gangunsicherheiten, Blessuren im Gesicht und einem Taumeln berichtet. Der Zeuge schilderte weiter, dass es Schwindelattacken und Schweißausbrüche gegeben habe. Dies sei wiederholt berichtet worden.
Weiter war im Hause der Beklagten zu 2), insbesondere auch dem Zeugen H1 bekannt, dass sich Herr Q wegen einer Alkoholerkrankung zweimal zur Entzugsbehandlung in die M-Klinik begeben hat.
Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit Herrn Q zog der Geschäftsführer H1 dagegen nicht. Trotz des ihm bekannten zweimaligen Aufenthalts von Herrn Q in der M-Klinik und der dortigen Empfehlung zur Vornahme bestimmter Blutuntersuchungen kontrollierte er seinen eigenen Angaben nach nicht einmal mehr, ob diese Empfehlungen durchweg umgesetzt wurden. Hätte er dies getan, wäre ihm aufgefallen, dass ab dem 16.08.2010 bei Herrn Q nicht die von der M1-Klinik angeratene CDT-Untersuchung vorgenommen worden ist, die laut Empfehlung im letzten Quartal 2010 hätte durchgeführt werden müssen. Eine solche Kontrolle wäre vor allem auch deshalb zwingend durchzuführen gewesen, weil es im Dezember 2010 einen weiteren Vorfall (mit Verdacht auf Trunkenheit) gab, den die Beklagte zu 2) allerspätestens zwingend zum Anlass hätte nehmen müssen, die Zusammenarbeit mit Herrn Q sofort zu beenden.
Die Beklagte zu 2) handelte durch ihren Geschäftsführer schuldhaft (§ 31 BGB analog). Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist in besonders schwerwiegendem Maß verletzt worden.
Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten zu 2) hätte Herr Q am 04.02.2011 schon längst nicht mehr tätig sein dürfen. Der Eingriff hätte im Hause der Beklagten zu 2) so nicht stattgefunden. Die mit der Operation verbundenen Folgen wären nicht eingetreten.