OLG Köln, Urt. v. 13.4.2016 – 5 U 107/15, VersR 2016, 1123

200.000 € Schmerzensgeld.

Eine im Rahmen einer Nasenoperation grob fehlerhaft herbeigeführte Verletzung der Schädelbasis, die zu einer massiven Einblutung im Gehirn, zu einem Frontalhirnsyndrom und dadurch zum vollständigen Verlust des Orientierungsvermögens, der Konzentrationsfähigkeit, des Antriebs, der Entschlussfähigkeit, der Libido, des Geschmackssinns und der Fähigkeit, Freude zu empfinden, insgesamt damit zu einer nachhaltigen Veränderung der Persönlichkeit und zu vollständiger Erwerbsunfähigkeit führt, rechtfertigt ein Schmerzensgeld von 200.000 €.

Fall:

Der 42-jährige Kläger litt bereits seit Jahren an Nasenatmungsbehinderungen, chronischer Nasennebenhöhlenentzündung und einer beidseitigen Riechstörung, als er sich in dem Krankenhaus der Beklagten zu 1) vorstellte. Der Beklagte zu 2), niedergelassener Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkunde, war dort als Belegarzt tätig. Er empfahl dem Kläger eine Begradigung der Nasenscheidenwand durchführen zu lassen. Ob er darüber hinaus auch einen Eingriff im Bereich der Nasennebenhöhlen vorschlug, war zwischen den Parteien streitig.

Verletzung der Schädelbasis durch Behandlungsfehler während Operation

Bei der Operation erfolgten laut Operationsbericht eine Korrektur der Nasenscheidewandverbiegung, eine Behandlung der unteren Nasenmuscheln und ein Eingriff im Bereich der Nasennebenhöhlen. Nach der Operation wachte der Kläger zunächst nicht auf. Eine durchgeführte Computertomographie zeigte eine Einblutung im Gehirn. Der Kläger wurde daraufhin in die neurochirurgische Klinik des Universitätsklinikums verbracht und dort operiert. Die Operateure stellten eine Verletzung der Schädelbasis auf der rechten Seite im hinteren Abschnitt des Siebbeindaches auf einer Strecke von 1 × 2 cm fest.

Rechtliche Beurteilung:

Das OLG hat einen groben Behandlungsfehler angenommen. Aus einer Verletzung der Schädelbasis im Bereich des Siebbeins könne auf eine Verletzung der Pflicht zum sorgfältigen Vorgehen in dieser Region und der Verletzung der Regel, nicht medial der Landmarke vorzugehen, geschlossen werden. Dringe ein Arzt ohne Anlass in diesen besonders verletzlichen Bereich vor, obwohl die Sichtverhältnisse durch Blutungen erschwert seien, verletzte er seine Sorgfaltspflicht in besonderem Maße.

Das durch die Verletzung bedingte Leiden und das Ausmaß der aller Voraussicht nach lebenslangen Beeinträchtigungen in der Lebensführung rechtfertigten ein hohes Schmerzensgeld, das der Senat mit einem Betrag von 200.000 € als angemessen erachtete. Aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers und der Zeugin N. war der Senat davon überzeugt, dass der Kläger durch den streitgegenständlichen Eingriff in nahezu allen Bereichen des privaten Alltags überaus erheblich eingeschränkt ist. Er leidet als Dauerschaden unter einem mittelgradig ausgeprägten Frontalhirnsyndrom vom frontoorbitalem Typ. Darüber hinaus hat er seinen Geruchssinn vollständig verloren und kann nur noch Salziges und Süßes schmecken.