Fall:
Die 62-jährige Klägerin fiel bei der Einweisung von Arbeiten auf dem Gelände des von ihr geführten Hotels auf das Gesäß. Sie begab sich deshalb in die ambulante Behandlung des Beklagten zu 1), der nach klinischer Untersuchung, jedoch ohne Röntgenbefund, einen Knochenhautreizzustand an der Steißbeinspitze diagnostizierte. In einem Zeitraum von zehn Tagen führte er insgesamt acht Infiltrationen durch. Aufgrund einer Beschwerdeverschlimmerung wurde die Klägerin in die Universitätsklinik verbracht. Die dortige röntgenologische Untersuchung erbrachte keinen Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung; sie wurde auf eigenen Wunsch entlassen.
Mehrmonatiger Krankenhausaufenthalt nach fehlerhafter Diagnose und Behandlung
Sie begab sich sodann zur Behandlung in das B-Institut für Mikrotherapie des Beklagten zu 2). Dort wurde am selben Tage unter anderem eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Lendenwirbelsäule und des Iliosakralgelenks angefertigt. Sodann wurden fünf Injektionsbehandlungen mit CT-Unterstützung durchgeführt.
Wegen andauernder sich eher verstärkender Beschwerden kam es danach zu einem Hausbesuch durch den Beklagten zu 1). Dieser nahm weitere schmerzstillende Infiltrationen vor.
Im Verlauf der weiteren Behandlung stellte sich heraus, dass die Klägerin mit Staphylococcus aureus infiziert war, was zu multiplen Abszessen, multiplem Organversagen und einem zeitweilig lebensgefährlichen Verlauf mit zweimaligem animationspflichtigem Zustand und mehrfachen Revisionsoperationen führte. Ferner wurde bei der Patientin eine schon länger bestehende Fraktur des Beckens im Bereich des Os sacrum festgestellt.
Rechtliche Beurteilung:
Das OLG hielt – ebenso wie das LG – ein Schmerzensgeld von 100.000 € für gerechtfertigt.
Die Injektionsbehandlung des Beklagten zu 1) sei grob fehlerhaft gewesen, weil bei persistierenden Beschwerden keine bildgebende Diagnostik erfolgt sei. Für einen Facharzt dränge sich bei einem Sturzereignis die röntgenologische Befundung als absoluter Standard geradezu auf.
Dass der Beklagte zu 2) bei den Kortison-Injektionen trotz CT und MRT einen Frakturspalt übersehen hatte, hat das OLG ebenfalls als einen groben Behandlungsfehler gewertet. Da nicht gänzlich unwahrscheinlich war, dass die groben Behandlungsfehler zu einer Infektion mit Staphylococcus aureus geführt hatten, kam der Klägerin eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Kausalitätsbeweises zugute.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das OLG insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin mehr als acht Monate im Krankenhaus verbracht hatte. Diese Krankenhausaufenthalte waren Folge der Injektionen durch die Beklagten, die zu multipler Abszessbildung der Lendenwirbelsäule mit Ausbreitung in die Psoasloge, das kleine Becken und den rechten Oberschenkel geführt haben. Darüber hinaus waren darauf epidurale Abszesse im Bereich L 4/5, eine Entzündung von Wirbel und Zwischenwirbelscheiben, Spondylodiszitis BWK 8/9, ein Multiorganversagen mit akutem Nierenversagen, akutem Lungenversagen, ARDS und akutem Leberversagen sowie mehrfache septische Schübe mit multiplen Abszessen zurückzuführen, die unter anderem eine Langzeitbeatmung, eine Punktionstracheotomie sowie eine Langzeitantibiose erforderlich machten. Als Dauerschäden kamen mehrfache Narbenbildungen mit Narbenschmerzen, allgemeine Schwäche infolge der eingetretenen Komplikationen und erhebliche Reduzierung des Allgemeinzustandes einschließlich Mobilisations- und Bewegungseinschränkungen hinzu.