OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2013 – 8 U 24/12 – juris

350.000 € Schmerzensgeld

Bei schwersten Hirnschäden ist mit dem Schmerzensgeld der in der mehr oder weniger weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit bestehende Verlust, der für sich einen immateriellen Schaden darstellt, auszugleichen.

Fall:

Die durchgeführte Geburtsleitung war fehlerhaft und hat zur Schwerstschädigung der Klägerin geführt. Trotz pathologischem CTG wurde keine Schnittentbindung eingeleitet, sondern eine vaginale Entbindung des Kindes vorgenommen. Hinzu kam, dass weder ein versierter Facharzt noch ein in der Reanimation Neugeborener erfahrenes Team rechtzeitig vor Ort war.

Rechtliche Beurteilung:

Bei schwersten Hirnschäden ist mit dem Schmerzensgeld der in der mehr oder weniger weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit bestehende Verlust, der für sich einen immateriellen Schaden darstellt, auszugleichen; dabei sind diejenigen Umstände, die dem Schaden im Einzelfall sein Gepräge geben, eigenständig zu bewerten und es ist aus der Gesamtschau die angemessene Entschädigung für das sich bietende Schadensbild zu finden (vgl. BGH NJW 1993, 781). Vorliegend war die bei der Klägerin bestehende Hirnschädigung besonders stark ausgeprägt. Die Klägerin ist nicht in der Lage, sich eigenständig fortzubewegen, zu sitzen, zu stehen, zu essen, zu trinken oder zu sprechen. Die Nahrungsaufnahme ist auf pürierte oder flüssige Kost beschränkt, wobei für jede Mahlzeit ca. 50 bis 60 Minuten anfallen und bei der Klägerin erhebliche Schluckbeschwerden bestehen. Die Klägerin kann auch nicht gezielt nach Gegenständen greifen und diese festhalten. Sie ist angesichts dessen rund um die Uhr hinsichtlich aller Lebensfunktionen auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Eltern angewiesen und wird nie ein selbstbestimmtes eigenes Leben führen können. Dabei ist sie kognitiv zwar in der Lage, ihr bekannte Personen zu erkennen und auf diese zu reagieren. Sie kann sich jedoch nur in einem geringen Umfang durch Lautieren und Grimassieren äußern und dadurch im Sinne von Ja/Nein-Äußerungen gewisse Wünsche artikulieren oder Ablehnung signalisieren. Zustimmung oder Zufriedenheit kann sie gegenüber ihren Eltern durch ein Lächeln zum Ausdruck bringen.

Fehlerhafte Geburtsleitung

Insgesamt ist die Persönlichkeit der Klägerin damit in einem ganz erheblichen Umfang durch die fehlerhafte geburtshilfliche Behandlung in der Klinik des Beklagten zerstört worden. Da dieser Zustand von Geburt an besteht, fehlt es dagegen an einem besonderen persönlichen Leidensdruck, der bei der Höhe der Entschädigung ebenfalls zu berücksichtigen war. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände hielt das OLG ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 350.000 € zum Ausgleich der durch die fehlerhafte Geburtsleitung erlittenen Nachteile für angemessen, aber auch für ausreichend.