OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Juni 2013 – 1 U 136/12 – NZV 2014, 404
320.000 € Schmerzensgeld
Die Fahrbahn von Autobahnen darf im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Gefahren nur ganz ausnahmsweise, insbesondere in Notfällen zur Hilfeleistung (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 323c StGB), betreten werden. Ein Aussteigen zur Besichtigung eines geringfügigen (Blech-)Schadens rechtfertigt in der Regel keine Ausnahme vom Betretungsverbot.
Fall:
Polytrauma mit zahlreichen schwerwiegenden Verletzungen
Der 38-jährige Kläger, Beifahrer in einem von einem Freund geführten Pkw, begehrte von den Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls. Nach einem (leichten) Auffahrunfall wegen eines Staus auf der Autobahn stieg der Kläger aus, um sich den durch den aufgefahrenen Pkw verursachten Schaden anzusehen. Er begab sich in den Bereich zwischen den beiden Wagen, als ein weiterer Pkw (des Beklagten) mit einer Geschwindigkeit von 145 bis 160 km/h auf das hintere Fahrzeug auffuhr. Der Kläger wurde zwischen den beiden voranstehenden Wagen eingequetscht und anschließend über eine Entfernung von 17 Metern weggeschleudert. Der Kläger erlitt infolge des Unfalls ein Polytrauma mit zahlreichen schwerwiegenden Verletzungen. Aufgrund der erlittenen Verletzungen schwebte der Kläger mehrere Wochen in Lebensgefahr. Es kam während der stationären Behandlung – u. a. – zum Kreislaufstillstand, zu akutem Nierenversagen, zu einer Blutvergiftung sowie zu einer Infektion mit Multiorganversagen. Es erfolgte eine Vielzahl von Operationen. Der Kläger ist aufgrund des Unfalls zu 100 % erwerbsunfähig und schwerbehindert.
Rechtliche Beurteilung:
320.000 € Schmerzensgeld
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Dauer der vom Kläger erlittenen Verletzungen, des zum Unfallgeschehen führenden Verhaltens der Parteien (20 % Mitverschulden des Klägers) sowie der verbleibenden Beeinträchtigungen des Klägers, hielt das OLG ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 320.000 € (250.000 € und lebenslänglich 250 € Rente monatlich) für angemessen. Der Kläger hatte allerdings gegen das Verbot verstoßen, als Fußgänger die Autobahn zu betreten (§ 18 Abs. 9 Satz 1 StVO) und musste sich deshalb ein Mitverschulden von 20 % anrechnen lassen. Die Fahrbahn von Autobahnen darf im Hinblick auf die damit verbundenen erheblichen Gefahren nur ganz ausnahmsweise, insbesondere in Notfällen zur Hilfeleistung (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 323c StGB), betreten werden. Ein Aussteigen zur Besichtigung eines geringfügigen Blechschadens rechtfertigt in der Regel keine Ausnahme vom Betretungsverbot.